eVergabe.de

EU-Vergaberecht

Bei Vergaben oberhalb der Schwellenwerte findet das sogenannte GWB- oder auch Kartellvergaberecht Anwendung.
Dieses basiert auf dem EU-Primärrecht und den EU-Vergaberichtlinien.

Icon EU, EU-Vergaberecht

EU-Vergaberecht – Anwendungsbereich

Bei Vergaben, die die EU-Schwellenwerte übersteigen, findet das sogenannte GWB- oder auch Kartellvergaberecht Anwendung. Dieses basiert auf dem EU-Primärrecht und den EU-Vergaberichtlinien. Da Richtlinien der EU in den Mitgliedstaaten nicht unmittelbar gelten, müssen sie erst in nationales Recht transformiert werden.

Dies ist in Deutschland geschehen mit dem 4. Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sowie mit den folgenden Vergabeverordnungen:

Binnenmarktrelevanz

Neben dieser klaren Anwendungspflicht gelten zumindest Teile des EU-Vergaberechts auch bei unterschwelligen Verfahren. Das passiert, sobald die ausgeschriebene Leistung relevant für den EU-Binnenmarkt sein kann. Eine solche Binnenmarktrelevanz ist immer dann anzunehmen, wenn ein öffentlicher Auftrag auch für Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten interessant sein könnte. Hierfür hat die Rechtsprechung in den letzten Jahren Kriterien entwickelt. Dies sind insbesondere:

  • Räumliche Nähe zwischen Ausführungsort und einer EU-Binnengrenze
  • Erhöhter, wenn auch unterhalb der Schwellenwerte befindlicher, Auftragswert
  • Art der zu vergebenden Leistung; das heißt, wenn die Leistung international ausgelegt ist

Sollte das Vorliegen der Binnenmarktrelevanz bejaht werden, folgen für die Ausschreibungsverfahren Abweichungen hinsichtlich erstens der Bekanntmachung, zweitens der Auftragsvergabe und drittens des Rechtsschutzes. Marktteilnehmer aus anderen EU-Staaten müssen also die Möglichkeit haben, Kenntnis von der Auftragsvergabe zu erhalten. Außerdem darf die Auftragsvergabe in Bezug auf die Herkunft der Bieter nicht diskriminierend sein.

Besonderheiten

Im Vergleich zum nationalen Vergaberecht gelten bei Verfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte besondere Anforderungen an die Vergabe öffentlicher Aufträge. Dies sind beispielsweise:

  • Pflicht zur elektronischen Vergabe
  • besondere Fristen
  • Veröffentlichung im elektronischen Amtsblatt der EU (TED)
  • Klassifizierung der ausgeschriebenen Leistung mittels bestimmter Codes (CPV)

Seit Oktober 2018 gilt bei EU-weiten Ausschreibungen die Pflicht zur Übermittlung der Interessensbekundungen, Interessensbestätigungen, Teilnahmeanträge und Angebote mithilfe elektronischer Mittel. Dies bedeutet, dass Vergabestellen nur noch in wenigen Ausnahmefällen nicht-elektronische Anträge und Angebote entgegennehmen dürfen. Die E-Vergabe ist also Pflicht.

Damit auch Interessenten aus anderen EU-Mitgliedstaaten aussichtsreiche Angebote abgeben können, sind die Mindestfristen bei Oberschwellenvergaben im Vergleich zu nationalen Verfahren deutlich länger gefasst. Dadurch haben auch ausländische Firmen die Möglichkeit, in nationalen Vergabeportalen Ausschreibungen zu finden und ggf. zu übersetzen. Darüber hinaus sind vor einer Bezuschlagung die unterlegenen Bieter zu informieren. Der Zuschlag darf deshalb erst nach Ablauf einer bestimmten Stillhaltefrist erteilt werden.

Ausschreibung und Vergabeunterlagen müssen auf einem Vergabeportal elektronisch zugänglich sein. Zuvor ist die Bekanntmachung jedoch bereits in der elektronischen Ausgabe des Supplements des Amtsblatts der Europäischen Union (Tenders Electronic Daily, kurz TED) zu veröffentlichen. Hier muss auch nach Abschluss eines Vergabeverfahrens aus Transparenzgründen bekanntgegeben werden, welcher Bieter den Zuschlag erhalten hat.

Jede ausgeschriebene Leistung muss durch die Vergabestelle mithilfe eines spezifischen numerischen Codes in das „Gemeinsame Vokabular für öffentliche Aufträge“ (Common Procurement Vocabulary, kurz CPV) eingeordnet werden. Durch die Beschreibung der Leistung mit dem CPV-Code ist es Firmen aus anderssprachigen Teilen der EU möglich, schnell und präzise Ausschreibungen ihrer Branche zu finden.

EU-Vergabearten

Das Regelverfahren bei EU-weiten Ausschreibungen ist das offene Verfahren. Dabei werden eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen mittels einer Auftragsbekanntmachung zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Daneben besteht auch die Möglichkeit, die Leistung in einem nichtoffenen Verfahren auszuschreiben. Hierbei wird zunächst ein öffentlicher Teilnahmewettbewerb durchgeführt, anschließend wählt der Auftraggeber eine beschränkte Anzahl an Unternehmen aus und fordert diese infolgedessen zur Abgabe eines Angebots auf. Beide Verfahren bieten gleichermaßen Transparenz sowie Wettbewerb, so dass zwischen ihnen Wahlfreiheit besteht.

Darüber hinaus gibt es weitere Verfahrensarten, welche jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen zur Verfügung stehen. Dabei geht es einerseits um das Verhandlungsverfahren (mit oder ohne vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb), welches unter anderem Verhandlungen über die Auftragsbedingungen mit den Unternehmen zulässt. Andererseits bietet der wettbewerblicher Dialog einen noch größeren Spielraum für Verhandlungen mit den Bietern. Ebenso gehört die Innovationspartnerschaft dazu.

eVergabe.de