AOK: Forderung nach Reform der Vergabepraxis
Die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Baden-Württemberg startete im vergangenen Jahr eine Ausschreibung für die Beschaffung von antibiotischen Wirkstoffen. Dabei wollte die AOK neben dem Preis auch den Umwelt- und Arbeitsschutz in der Zuschlagserteilung berücksichtigen. Allerdings hat die Krankenkasse nicht mit dem Gegenwind einiger Hersteller gerechnet, die mit Nachprüfungsanträgen vor die Vergabekammer des Bundes zogen.
Die Vergabekammer gab Ihnen Recht und hat insbesondere das Zuschlagskriterium der „geschlossenen Lieferkette“ bemängelt. Dabei hat sie die Entscheidung getroffen, dass die Lieferkette kein zulässiges Zuschlagskriterium im Sinne des § 127 Abs. 4 GWB sei. Auftraggeber könnten zwar ökologische und soziale Aspekte in den Zuschlagskriterien berücksichtigen. Allerdings genüge die gewählte Umsetzung dieser Intention nicht den vergaberechtlich gebotenen Anforderungen an die Ausgestaltung von Zuschlagskriterien. Diese würden einen Teil der möglichen Auftragnehmer auf den Produktionsstandort beschränken und somit keine diskriminierungsfreie Wertung ermöglichen.
Die AOK möchte das Urteil der Bundesvergabekammer nicht akzeptieren und wird gegen dieses vorgehen. Darüber hinaus fordert die Krankenkasse eine umfassende Reform der Vergabepraxis. Johannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg und Federführer der AOK-Gemeinschaft für die bundesweiten Generikaverträge, fordert: „Versorgungssicherheit und Umweltschutz dürfen nicht auf der Strecke bleiben, die Politik darf sich nicht von Lippenbekenntnissen steuern lassen, mit denen die Industrie ihre rein finanziellen Interessen kaschiert.“
In einer Pressemitteilung der AOK wird betont, dass antibiotische Wirkstoffe unter strengeren Umweltauflagen hergestellt müssen, als bisher. Multiresistente Keime dürfen sich nicht über Industrieabwässer ausbreiten, da dadurch die Wirksamkeit von Antibiotika geschwächt wird. Darüber hinaus sieht die AOK einen Reformbedarf des Vergaberechts. „Wir fordern die Vorhaltung eines Quartalsbedarfs wichtiger Arzneimittel, um produktionsbedingten Verzögerungen, Unfällen in Produktionsstätten oder möglichen Exportstopps entgegenzuwirken. Zudem müssen für alle Wirkstoffe auf europäischer Ebene eine staatliche Mindestreserve vorgehalten und ein harmonisiertes Lieferengpass-Register angelegt werden“, erklärt Johannes Bauernfeind. Somit soll langfristig eine größere Unabhängigkeit der Arzneimittelversorgung in Europa erreicht werden.