Befristete vergaberechtliche Regelungen während der Corona-Pandemie
Die Zusammenkunft von Vertretern des Bundes und der Bundesländer auf dem sogenannten „Corona-Gipfel“ hat weitreichende Maßnahmen für den privaten und gewerblichen Bereich getroffen bzw. bereits bestehende Maßnahmen verlängert. Dies nehmen wir zum Anlass, noch einmal zusammenfassend auf die aktuell geltenden Regelungen auf dem Gebiet der Beschaffung und Vergabe hinzuweisen.
Zu beachten ist natürlich nach wie vor die grundlegende Zweiteilung des Vergaberechts in die Verfahren ober- und unterhalb der EU-Schwellenwerte. Im Oberschwellenbereich gelten die aus den EU-Richtlinien abgeleiteten Regelungen zur Möglichkeit, als Verfahrensart das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zu wählen. Dieses kommt zum Einsatz, wenn die Mindestfristen für ein Offenes Verfahren aus zwingenden Gründen im Zusammenhang mit Ereignissen, die der betreffende öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, nicht eingehalten werden können. Ob die Auswirkungen der Corona-Pandemie mit all ihren „Begleiterscheinungen“, wie beispielsweise geringere Produktionskapazitäten oder Lieferschwierigkeiten auf Grund von Quarantäne oder verstärkter Bedarf bestimmter Güter wegen besonderer Hygienevorgaben, auch zum jetzigen Zeitpunkt noch unvorhersehbar sind, hängt dabei vom Einzelfall ab.
Im nationalen Bereich haben sowohl der Bund als auch die Länder ähnlich lautende Regelungen hinsichtlich der Wertgrenzen für vereinfachte und schnellere Vergabearten getroffen. So können bei Ausschreibungen des Bundes für Liefer- und Dienstleistungsaufträge bis zu einer Wertgrenze von 100.000 Euro ohne Umsatzsteuer solche vereinfachten Vergabeverfahren gewählt werden (insbesondere Verhandlungsvergaben ohne Teilnahmewettbewerb). Bei Bauaufträgen beträgt diese Grenze bis zu 1 Million Euro ohne Umsatzsteuer. Die Werte für den Direktauftrag von Waren und Dienstleistungen werden von 1.000 auf 3.000 Euro und beim Direktauftrag von Bauleistungen von 3.000 auf 5.000 Euro erhöht. Die Fristen für die Einreichung der Angebote und Teilnahmeanträge können leichter verkürzt werden. Diese Regelungen gelten bis zum 31. Dezember 2021. In den einzelnen Bundesländern wurden abweichende Grenzwerte festgelegt. Grundsätzlich sind aber auch hier einige Erleichterungen in Kraft gesetzt worden. Es empfiehlt sich daher immer, vor Beginn eines Ausschreibungsverfahrens die jeweils geltenden Leitlinien, Richtlinien oder Verwaltungsvorschriften zu recherchieren.
Im Bereich der Bauausschreibungen wurde mit dem VHB-Formblatt 217 („COVID-19-bedingte Mehrkosten“) ein gesondertes Formblatt eingeführt, mit dessen Hilfe Mehrkosten für Hygiene- und Gesundheitsschutzmaßnahmen im räumlichen Kontext zur Baustelle ausgewiesen werden können, die durch die COVID-19-Pandemie verursacht wurden. Diese Kosten werden dann nicht Bestandteil der kalkulierten Einheits- oder Pauschalpreise.
Teilweise wird auf die Durchführung von Eröffnungsterminen in Anwesenheit von Unternehmensvertretern verzichtet. So hat zum Beispiel Hessen den § 14a VOB/A vorübergehend außer Kraft gesetzt. Hier kann auf alternative Wege wie beispielsweise Videokonferenzen zurückgegriffen werden. Auch hier gilt, dass die jeweils regional geltenden Normen zu berücksichtigen sind.
Auf bestehende Verträge hat die aktuelle Situation insoweit Auswirkungen, dass beispielsweise Ausführungsfristen nicht eingehalten werden können, da die Mitarbeiter des ausführenden Unternehmens unter Quarantäne gestellt wurden. Ebenso ist es denkbar, dass zum Beispiel Schulungsleistungen, die an bereits fest vereinbarten Terminen stattfinden sollten, wegen staatlicher Anordnungen nicht stattfinden dürfen. In solchen Fällen können Ausführungsfristen verlängert oder verschoben werden.